Die Rückkehr der Wildkatze – Ausbreitung in Niedersachsen
Die Rückkehr der Wildkatze – Ausbreitung in Niedersachsen
Die Europäische Wildkatze (Felis silvestris silvestris) hat ein weites Verbreitungsgebiet. Es reicht von der Iberischen Halbinsel bis in die westliche Ukraine, man findet sie in Italien, auf dem Balkan, im Kaukasus und auch in den schottischen Highlands.
Im Vergleich zur Hauskatze hat sie in Relation zum Körper deutlich längere Läufe. Die Grundfärbung variiert von gelblich – braun über rötlich – grau bis silbergrau. Auffällig ist die buschige Rute mit der typischen dunklen Bänderung, die aus drei bis fünf Ringen besteht. Die stumpfe Rutenspitze ist immer dunkel, fast schwarz gefärbt. Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal zur Hauskatze ist der immer fleischfarben gefärbte Nasenspiegel.
Die Wildkatze ist nicht, wie vielfach angenommen, die Urform der Hauskatze. Die wildlebende Stammform der Hauskatze ist die in Afrika, Asien und der Levante vorkommende Falbkatze. Dennoch kann es zwischen Wild- und Hauskatze durchaus zu Hybridisierungen kommen, diese sind jedoch relativ selten, da die Wildkatze die Nähe zum Menschen meidet. Jedoch kann es vorkommen, dass eine Wildkatze weitab von menschlichen Siedlungen mit verwilderten Hauskatzen zusammentrifft. Im Sinne des Artenschutzes sollten Jäger in geschlossenen Waldgebieten daher durchaus verwilderte Hauskatzen erlegen, um einer Hybridisierung vorzubeugen.
Die Wildkatze ist ein typischer Waldbewohner. Sie bevorzugt ruhige deckungsreiche Laub- oder Mischwälder, gerne mit sonnigen Hanglagen. Schlagflächen, lichte Naturverjüngungen oder Kulturen werden wegen des guten Nahrungsangebotes häufig aufgesucht.
Wildkatzen sind Einzelgänger und sehr standorttreu. Das Streifgebiet eines Kuders beträgt etwa 2000 Hektar. Das Revier der Katze ist je nach Nahrungsangebot zwischen 500 bis 1200 Hektar groß. Die Reviere werden durch das Kratzen an Bäumen markiert. Dabei sondern am Ballen befindliche Schweißdrüsen einen Duftstoff ab. Zusätzlich werden die Reviere noch durch Urin gekennzeichnet.
Als Pirschjäger schleicht sich die Wildkatze unter Ausnutzung jeder Deckung dicht an die potenzielle Beute heran, um diese dann nach einem zielgerichteten Sprung mit den Krallen festzuhalten und mit einem Biss zu töten. Die Beute besteht zu 80 % aus Mäusen, daneben werden aber auch gerne Kleinvögel, Junghasen oder Kaninchen genommen und in seltenen Fällen können sogar Rehkitze erbeutet werden. Diese Entnahme hat aber sicherlich keinen nennenswerten Einfluss auf die Rehwildpopulation.
Als Feinde der Wildkatze sind vor allem Luchs und Wolf zu nennen. Uhu, Seeadler, Steinadler oder Habicht erbeuten meist nur Jungtiere. Der Fuchs ist keine Bedrohung für gesunde Wildkatzen, kann aber unter Umständen dem Nachwuchs gefährlich werden.
Die Wildkatze ist überwiegend dämmerungs- und nachtaktiv und wird daher von normalen Waldbesuchern nur selten gesehen. Jäger, die sich auch in der Dämmerungsphase oder in der Nacht im Wald aufhalten, bekommen sie schon eher zu Gesicht.
Lange galt die Wildkatze in weiten Teilen Deutschlands als ausgerottet. In Niedersachsen existierte nur noch ein kleines Restvorkommen in den Harzhochlagen. Ursache für den starken Rückgang dieser Art war die intensive Bejagung, die Verschlechterung des angestammten Lebensraumes im Wald sowie die Zerschneidung der Landschaft durch Straßen und Siedlungen.
Doch in den letzten Jahrzehnten breitete sich die Wildkatze, erst unbemerkt, völlig ohne aktive Naturschutzmaßnahmen wieder aus. Die Ausbreitungswelle erfolgte in Niedersachsen von Süden herkommend nach Norden und hat mittlerweile auch die Lüneburger Heide erreicht.
Die dem Verfasser erste bekannte Sichtung in unserem Raum, damals eine Sensation, fand Ende der 80er Jahre in der Kammlage der Kreisrevierförsterei Brandshof statt. Mittlerweile sehen wir die Wildkatze häufig und zwar in allen größeren Waldrevieren des Landkreises. In vielen Revieren sind erfolgreiche Reproduktionen nachgewiesen worden.
Doch wie kommt es zu dieser erfreulichen Ausbreitung? Sicherlich liegt es mit daran, dass Jäger mit dem heutigen Wissen und Naturverständnis die Wildkatze nicht mehr als Konkurrenten, sondern als willkommenes Mittglied der Lebensgemeinschaft Wald ansehen. Der Hauptgrund für die Ausbreitung dürfte aber in der Veränderung unserer Wälder liegen.
In nahezu allen Besitzarten wird seit etwa 40 bis 50 Jahren zunehmend naturnah gewirtschaftet, mit der Folge, dass aus dunklen deckungsarmen Reinbeständen ungleichalte Mischbestände entstanden sind, die reichlich Naturverjüngung und somit Deckung aufweisen. Zudem haben Schadereignisse wie Stürme und Borkenkäferfraß großflächige besonnte Freiflächen entstehen lassen, die ein Übermaß an Nahrung für die Wildkatze aufweisen.
Obwohl sich der Lebensraum im Wald für die Wildkatze positiv geändert hat, bleibt die Zerschneidung des Lebensraumes, insbesondere durch Straßen, für die zum Zwecke des Genaustausches notwendigen Wanderungen ein ernstes Problem. Insbesondere die in West / Ost Richtung verlaufende extrem stark befahren A2 stellt in weiten Bereichen ein schwer zu überwindendes Hindernis dar. Das wir im Landkreis Schaumburg die Wildkatze schon relativ lange da haben liegt mit Sicherheit daran, dass sich an der A2 im bewaldeten Weserbergland eine Vielzahl von großen Steinbogenviadukten befinden. Diese Viadukte sind für Wildkatzen, im Übrigen auch für viele anderen Tierarten, eine willkommene Querungshilfe, die auch ohne begleitende Maßnahmen gefunden wurden.
Anders sieht es an der A2 von Bad Nenndorf in Richtung Osten in der Tiefebene aus, in der nur wenig geeignete Brückenbauwerke vorhanden sind. Hier gibt es erfreuliche Initiativen aktiver Nabu und BUND-Ortsgruppen, durch Anlage von sogenannten Trittsteinen, für die Wildkatze Leitwege zu den Brücken zu schaffen.
Wenngleich wir uns um die Wildkatzenpopulation im Landkreis Schaumburg keine großen Sorgen mehr machen müssen, ist jede lebensraumverbessernde Maßnahme zu begrüßen, zudem sie auch vielen anderen Tierarten Vorteile bringt.
Bernhard Michel